[align=justify]Eine zierliche, junge Frau von gerade mal um die 1,60 m sitzt Euch gegenüber und sieht Euch aus ihren großen, mandelförmigen und leuchtend bernsteinfarbenen Augen mit einem fast schon durchbohrenden Blick an. Sie legt den Kopf etwas schief und ihre mahagonifarbenen, knapp bis über's Kinn reichenden Haare fallen in wild gelockten Strähnen in ihr hübsches aber angespanntes Gesicht. "Ihr wollt es wirklich wissen?", fragt sie noch einmal leise und ihr Blick wird noch durchdringender als er vor einigen Momenten schon gewesen war.

Wenn sie ihre wahre Gestalt annehmen würde, hätte sie - verglichen mit einem Menschen - eine stattliche Größe, unter Worgen allerdings könnte man sie fast schon als Zwerg bezeichnen. Ihr trainierter Körper wäre von dunklem mahagonibraunem, weichem Fell bedeckt und ihre lange, wild gelockte Mähne fiel ihr über Rücken und Schultern. Ebenso gepflegt wie ihr Fell und Ihre Haare wären auch ihre Krallen. Lange, dunkel glänzende, scharfe Klauen, die schwere und verheerende Verletzungen zufügen könnten.

Freunde aus früheren Zeiten würden die Gilneerin als still und abwartend aber dennoch charismatisch, ehrgeizig und freundlich beschreiben, auch wenn es bei Fremden, die ihr unsympathischen sind, eher eine aufgesetzte Freundlichkeit wäre.

"Also gut." Sie atmet leise seufzend aus. "Aber nur, weil Ihr es seid!"

Und das ist Minna's Geschichte...

Als sie zu erzählen beginnt, ertönt eine wohlklingende, nicht zu tiefe und etwas raue Stimme mit gilnearischem Akzent.

"Ich hatte eine behütete Kindheit. Geboren und aufgewachsen in Dämmerhafen in Gilneas, hatte ich, geschützt durch den Graumähnenwall, nichts zu befürchten. Wir Kinder arbeiteten im Haus mit, während Vater und Mutter auf den umliegenden Höfen mithalfen, um wenigstens etwas Geld zu verdienen. Für das Nötigste reichte es, aber um eine Ausbildung zu finanzieren dann doch nicht mehr. Zu allem Überfluss waren meine Eltern auch noch viel zu übervorsichtig, für meinen Geschmack, und so kannten meine ältere Schwester und ich nur Dämmerhafen und die nähere Umgebung. Von den anderen Siedlungen und der Stadt Gilneas hörten wir nur von Bekannten oder Reisenden, die sich ab und an nach Dämmerhafen verirrten. Irgendwann verliebte sich einer dieser Reisenden in meine Schwester - und sie sich in ihn - und so zog sie, nach einiger Zeit des Geplänkels, von Zuhause fort und ging mit ihm. Nun war ich allein. Und durch die Übervorsicht meiner Eltern durfte ich jetzt noch weniger durch die Gegend streunen. Meine Schwester schrieb zwar regelmäßig, wie gut es ihr ging und wie glücklich sie sei - glücklicherweise hatte sie mir etwas das Lesen beigebracht - aber die Briefe konnten mir meine über alles geliebte Schwester nicht ersetzten.


Ein trauriger Ausdruck huscht über das Gesicht der kleinen Frau, ehe sie sich wieder fasst und ihre Miene plötzlich einen völlig anderen Ausdruck annimmt.

"Das alles änderte sich, als mein Bruder geboren wurde. Ich war etwa neun Jahre alt, glaube ich zumindest, und ab da war ich meinen Eltern völlig egal. Diesen Eindruck hatte ich damals zumindest. Es drehte sich alles nur noch um ihn und ständig hieß es nur noch >.
Und irgendwann reichte es mir. Mit 13 hatte ich einen gewaltigen Streit mit meinen Eltern - genau kann ich jetzt gar nicht mehr sagen, um was es in diesem Streit ging - und ich warf ihnen Sachen an den Kopf, die ich im Nachhinein bereuen sollte, aber zum Zeitpunkt des Streits fühlte ich mich so ungerecht behandelt, dass ich von Zuhause davon lief. Allerdings wusste ich nicht wohin ich gehen sollte, ich kannte mich ja nicht aus, und zurück konnte oder wollte ich nicht mehr. Ich schämte mich dafür, was ich zu meinen Eltern und sogar meinem Bruder gesagt hatte und traute mich nicht mehr zurück."

Sie unterbricht ihre Geschichte kurz und schaut von ihren Händen auf. Trauer liegt in ihrem Blick - Trauer um ihre Familie, um ihr Zuhause, Trauer um die Briefe, die das einzige waren, was sie noch mit ihrer Schwester verband. Als sie weiter spricht, wandert ihr Blick wieder zurück auf ihre Hände.

"Ich zog einige Zeit völlig verloren in der Gegend herum, aber als es langsam Abend wurde brauchte ich einen Unterschlupf oder etwas ähnliches. Der einzige Ort, der mir einfiel, den ich auch finden könnte, war die Stadt Gilneas. Der Turm der Kathedrale war hoch genug, dass ich ihn von meiner Position aus als Orientierungshilfe nutzen konnte. Von den anderen Siedlungen wie Sturmsiel oder Kielwasser hätte ich nicht mal gewusst, in welche Richtung ich überhaupt hätte gehen sollen."

Minna strafft ihre Körperhaltung, bevor sie mit ihrer Geschichte fortfährt.

"Also machte ich mich auf den Weg nach Gilneas. Immer den Turm im Auge. Und ich lief und lief, den Blick immer auf das hoch aufragende Gebäude gerichtet, um in der immer dunkler werdenden Dämmerung nicht die Orientierung zu verlieren. Und dann, irgendwann, stand ich vor den Toren Gilneas. Es war schon dunkel und ich war durchnässt, weil es, wie fast immer, regnete, aber ich war erleichtert, dass ich endlich angekommen war. Nichtsdestotrotz wusste ich aber immer noch nicht, wo ich hingehen sollte und so streifte ich eine gefühlte Ewigkeit durch die nächtlichen und verregneten Straßen Gilneas' bis ich mich letztendlich resignierend unter einem Dachvorsprung eines Hauses zusammenrollte und versuchte etwas Ruhe zu finden und irgendwann doch, hundemüde und vor nasser Kälte zitternd, einschlief.
Als ich aufwachte, war der Tag noch nicht angebrochen, aber es hatte glücklicherweise aufgehört zu regnen. Vor Hunger getrieben machte ich mich auf und suchte nach etwas Essbarem. Ich kam zum Marktplatz, wo die Händler gerade dabei waren, ihre Stände aufzubauen. Wegen des ganzen Durcheinanders dort, achtete niemand auf ein kleines Mädchen wie mich und es war mir ein leichtes, unbemerkt hier und da etwas mitgehen zu lassen. Ich merkte wie leicht das war und es wurde zur Gewohnheit und irgendwann zu meiner Lebensgrundlage."

Die junge Frau hält inne und ein Anflug eines verschmitzten Schmunzelns huscht über ihre Mundwinkel.

"Mit den Jahren, die ich auf der Straße lebte und stahl, wurde ich immer geschickter und konnte sogar den Leuten unbemerkt ihre Taschen ausleeren, während sie über den Markt schlenderten und ihre Einkäufe machten. Bildlich gesprochen, lebte ich wie die Made im Speck. Ich hatte Essen und Trinken im Überfluss, ab und zu fiel auch etwas Alkohol zufällig von den Marktständen oder Tabak aus den Taschen der Menschen, was dann leider auch zu meinem Laster wurde - aber ich musste für nichts zahlen. Mir fehlte es eigentlich an nichts, auch nicht an einem Zuhause, denn die Straßen und kleinen Gassen wurden zu meinem Neuen.
So lebte ich einige Jahre mein sorgloses Leben, dass mir so sogar gefiel, und aufgrund der Tatsache, dass ich niemals erwischt wurde, wurde ich immer selbstsicherer und übermütiger und dachte nie im Traum daran, dass mir dieser Übermut einmal zum Verhängnis werden sollte."

Sie macht eine Pause und schluckt, aber ihre Miene macht den Eindruck, als wäre dieses Verhängnis nicht unbedingt ein schlechtes gewesen.

Ich war so davon überzeugt, dass mir nichts passiert, dass ich es wagte, einen Mann nicht im Schutz des Markttreibens, sondern auf der offenen Straße bestehlen zu wollen.Wie man sich denken kann, ging das natürlich nach hinten los und er bemerkte es. Er packte mich fest am Handgelenk der Hand, die gerade dabei war, seine Taschen zu erforschen und starrte mir finster ins Gesicht. Aber nach kurzer Zeit musste er ein Lachen unterdrücken - was vermutlich zum Einen an meinem verdutzten Gesichtsausdruck lagt und zum Anderen daran, dass er nicht damitgerechnet hatte, dass ein junges, ziemlich schmutziges Mädchen ihn ausrauben würde, wie er mir später erzählte. Zu meiner damaligen Verwunderung, wurde sein Gesicht freundlich und er begann, langsam und ruhig auf mich einzureden, ließ dabei mein Handgelenk aber nicht los. Ich allerdings fühlte mich wie von einer Kutsche überrollt und brachte keinen Ton heraus, ich konnte mich nicht einmal irgendwie regen. Vielleicht war es Mitleid, vielleicht auch etwas anderes - ich weiß es nicht, was es war - aber jedenfalls zerrte er mich schon fast mit sich, bis zu sich nach Hause und ich leistete kaum Widerstand, da ich unterbewusst merkte, dass ich dort Geborgenheit und Schutz finden würde."

So etwas ähnliches wie Glück kann man in Minnas Gesicht erkennen, als sie an diese vergangene Zeit denkt, deswegen ungewollt ihre Erzählung unterbricht und gedankenversunken und mit einem kleinen Lächeln auf ihren Lippen ins Leere starrt. Als sie wieder ins Hier und Jetzt zurück kehrt, schüttelt sie kurz den Kopf, als ob sie die Gedanken aus dem Weg schaffen will für die ursprünglichen Gedanken. Sie fährt fort.

"Ich denke mal, er muss total verrückt gewesen sein, denn wer sonst nimmt jemanden bei sich auf, der einen bestehlen wollte. Ich vermute, vom ersten Augenblick an war etwas zwischen uns - anders kann ich mir das sonst nicht erklären.
Aber damit möchte ich Euch jetzt nicht langweilen. Ihr wollt ja gerne etwas anderes wissen. Ich lasse also mal einen etwas größeren Zeitraum meines Lebens außen vor, in dem ich, soviel sei gesagt, ein recht normales Leben führte, da ich bei ihm blieb und mit ihm zusammenlebte."[/align]

[align=justify]Sie zuckt mit den Schultern und das Glück in ihrem Gesicht schwindet. Als sie weiter erzählt könnt Ihr den Schmerz in ihren Worten regelrecht spüren.

"Jedenfalls kam irgendwann dieser Tag in meinem Leben, an dem sich wieder alles ändern sollte. Es war schon Abend, wir waren zu Hause und auf den Straßen und vom Marktplatz her konnte man Tumult vernehmen. Ich ging kurz raus um in Erfahrung zu bringen, was los war, als alles auf einmal ganz schnell ging. Ich hörte nur etwas von Evakuierung und bevor ich mich auf den Weg zurück machen konnte, wurde ich schon von einer großen Menge panischer Menschen davon gerissen.
Ich weiß nicht, wie lange ich brauchte, um mich da raus zu kämpfen. Auf jeden Fall aber rannte ich so schnell ich konnte zurück zu unserem Haus, das ich verlassen vorfand. Die Tür stand offen, drinnen war alles liegen und stehen gelassen worden. Ich war verzweifelt - und schon wieder allein.
Ich rannte nach draußen und durch die fast leeren Straßen, nach ihm rufend und suchend. Ich achtete gar nicht großartig auf die Milizsoldaten, die die einzigen Personen waren, die mir begegneten, und auch nicht auf das schreckliche Geheule und Gejaule, dass von den Dächern und aus den dunklen Gassen und Ecken kam und die ganze Stadt einnahm.
Mit tränenüberströmtem Gesicht rannte ich durch die Straßen, als ich nach einer Biegung fast mit einer Gruppe Soldaten kollidierte, die gegen Gestalten kämpften, die ich vorher in meinem Leben noch nie gesehen hatte. Plötzlich realisierte ich, was passierte. Gilneas wurde angegriffen!"

Ihre Augen weiten sich. Die Panik, die sie zu jener Zeit gepackt hatte, kann man noch regelrecht darin sehen. Dennoch spricht sie gefasst weiter.

"Diese - man kann schon sagen - Bestien waren unzählig und die Milizsoldaten fielen. Einer nach dem anderen. Ich war aus Angst und Schock erstarrt und für einige Augenblicke nicht in der Lage, mich zu bewegen, selbst wenn ich gewollt hätte. Aber als eines dieser...", Minna hält kurz inne, als würde sie nach dem richtigen Wort suchen, fährt aber dann resignierend fort, "... Monster sich zu mir umdrehte, scheinbar hatte es mich gewittert, und ich in diese grässliche und völlig blutverschmierte Fratze sah, löste sich meine Schockstarre, da mir mit einem Schlag bewusst wurde, dass wenn ich mich jetzt nicht rührte, das mein sicherer Tod gewesen wäre."

Die kleine Frau schließt die Augen und atmet tief durch. Sie kämpft gegen die Bilder in ihrer Erinnerung. Schreckliche Bilder aus der Vergangenheit, die sie, zusammen mit den Geräuschen und Lauten, die sich in ihr Gedächtnis eingebrannt haben, des Öfteren nachts aus unruhigen Träumen schrecken lassen. Die sie dann vorerst nicht mehr zur Ruhe kommen lassen wollen, nur um die Worgin dann doch schweißgebadet und hilflos zurück zu lassen. Als sie die Augen öffnet, erzählt sie tapfer weiter, versuchend, den inneren Kampf zu verbergen.

"Ich überlegte nicht lange, sondern rannte einfach los. Irgendwo hin. Nur weg von diesen Viechern. Aber man kann sich ja denken, dass diese Aktion nicht von Erfolg gekrönt sein konnte. Innerhalb weniger Meter hatte ich das Vieh schon im Nacken sitzen und es genügte ein einziger Hieb dieses Monstrums, um mich zu Fall zu bringen. Ich stürzte schwer, schlug mir die Knie und Ellbogen auf und knallte mit dem Kopf auf die Pflastersteine. Als das Ungetüm seine Klauen in mich schlug und mir regelrecht meinen Rücken zerfetzte, fühlte ich mich durch den Sturz schon wie benebelt. Ich fühlte zwar den kaum erträglichen Schmerz, aber ich konnte alles um mich herum nur noch bedingt wahrnehmen. Das letzte an was ich mich erinnern kann, bevor mir endgültig schwarz vor Augen wurde und ich das Bewusstsein verlor, war, dass der Worgen noch ansetzte, um mir mit einem Biss in den Hals den Rest zu geben. Ich spürte den heißen, stickigen Atem in meinem Nacken, dann hörte ich nur noch einen Schuss und fühlte ein gewaltiges Gewicht auf mir zusammenbrechen. Schließlich verabschiedete ich mich von meinem Bewusstsein und alles um mich herum wurde schwarz und ganz still."

Sie macht eine Pause, in der sie zu überlegen schien, wie es dann weiter ging. Allem Anschein nach, ist diese Erinnerung nur verschwommen vorhanden.

"Jedenfalls, als ich langsam wieder zu mir kam, hörte ich nicht viel. Ein prasselndes Feuer ist das einzige, an das ich mich zu diesem Zeitpunkt erinnern kann. Ich lag in einem Bett. So fühlte es sich zumindest an. Ich öffnete die Augen nur ein kleines Bisschen und konnte gedämpftes Licht in einem kleinen Raum erkennen, aber selbst das tat mir so in den Augen weh, dass ich sie wieder schloss. Außerdem merkte ich, dass ich starke Kopfschmerzen hatte. Ich wollte mich regen und aufsetzen, überlegte es mir allerdings ganz schnell anders, als ein gewaltiger Schmerz meinen gesamten Leib durchzuckte. Mein ganzer Rücken brannte wie Höllenfeuer, meine Ellbogen und Knie schmerzten und ich konnte sie kaum bewegen. Mein Bauch fühlte sich an, als stachen Tausende von Messern hinein. Panik stieg in mir auf und ich zwang mich, die Augen zu öffnen. Mühsam hob ich den Kopf und ich stöhnte leise auf vor Pein. Ich lag wirklich in einem Bett, die Laken waren blutverschmiert. Mein Blut. Ich wollte einen Laut von mir geben, aber es kam nur ein Krächzen hervor. Meine Kehle war total vertrocknet. Dann hörte ich das Geräusch eines Schlüssels, der in einem Schloss gedreht wird und die Tür zu dem Zimmer ging einen Spalt auf, durch den eine Frau, etwa Mitte 30, ängstlich herein sah. Meine Stimme versagte, als ich versuchte, sie anzusprechen. Sie rührte sich nicht, sondern starrte mich einfach an, bis hinter ihr eine Männerstimme ertönte und sie zusammenzuckte. Die Stimme fragte sie barsch, ob sie denn nun den Weg versperren und weiterglotzen oder sich doch nützlich machen wolle. Daraufhin stieg ihr eine leichte Röte ins Gesicht und sie zog sich beschämt zurück. Ein Mann trat dann ein, gefolgt von einer anderen Frau, die eine Karaffe und ein Glas hereintrug und auf ein Tischchen neben meinem Bett abstellte. Sie eilte aber wieder schnell hinaus und warf mir dabei ebenfalls einen verängstigten Blick zu, was mir noch mehr Unbehagen bereitete, als ich sowieso schon hatte. Der Mann hatte ein freundliches Gesicht, das weiß ich noch und ich glaube, er war auch recht groß. Aber aus meiner Position wirkte jeder größer, als er war."

Ein Anflug von Belustigung huscht durch ihr Gesicht und sie schmunzelt in sich hinein. Bevor Minna weiterredet, nimmt sie einen Schluck aus ihrem Glas, das vor ihr steht.

"Der Mann setzte sich zu mir ans Bett und begrüßte mich freundlich. Er fragte, wie es mir denn ginge, aber er erwartete keine Antwort. Er wusste, wie es mir ging. Beschissen. Oh... entschuldigt meine Ausdrucksweise. Es handelte sich bei ihm um einen Arzt oder Heiler oder so etwas und er begann meine Verletzungen zu kontrollieren. Er ging wirklich behutsam mit mir um, und dafür war ich ihm auch sehr dankbar, denn ich litt schon so genug, auch wenn ich gar nichts tat. Leider weiß ich nicht, wie er hieß - ich würde mich nämlich so gerne bei ihm bedanken. Dafür hatte ich bis heute keine Gelegenheit und werde sie wohl auch nicht mehr bekommen... Auf jeden Fall hielt er mir dann das Glas an die Lippen und stützte meinen Kopf etwas ab, damit ich besser trinken konnte. Dabei meinte er, dass mir das Linderung verschaffen würde. Es war kein Wasser oder zumindest kein pures, aber ich trank, denn es tat meinem Hals wirklich gut. Er klärte mich auf, was alles passiert war, was mit mir geschehen war, dass ich nun hier so liege. Er erzählte mir, dass, nachdem ich ohnmächtig geworden war, man mich in eine behelfsmäßig eingerichtete Notunterkunft gebracht hatte. Zusammen mit den andern Verletzten, die überlebt hatten. Sie hatten jeden mitgenommen, der noch den kleinsten Hauch einer Chance hatte und es wurde versucht, jeden so schnell wie möglich zu behandeln, damit dieser überlebte. Die Helfer waren natürlich nicht alle ausgebildete Mediziner - es war überall Not am Mann und jeder der konnte, half. Meine Wunden wurden daher leider nicht von ihm, sondern nur notdürftig von einem Laien versorgt und bereiteten mir lange Zeit danach noch Probleme..."

Minna atmet tief ein und bebend wieder aus. Sie schlägt die Augen auf und Wut blitzt darin auf.

"Dank dieses Pfuschers wäre ich fast krepiert und im Nachhinein hätte ich mir auch gewünscht, es wäre so geschehen, denn was ich dann aus dem Mund des Mannes neben meinem Bett hörte, ließ meine Welt - oder besser gesagt das, was davon noch übrig geblieben war - endgültig in sich zusammenbrechen."

Der Schmerz an diese Erinnerung sitzt noch tief in ihren Knochen und sie zögert, ob sie Euch diese wirklich preisgeben soll, aber jetzt hatte sie angefangen zu erzählen, also würde sie jetzt auch nicht einfach aufhören.
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[align=justify]"Ich hatte viel Blut verloren, sagte er zu mir, sehr viel sogar, aber ich schwebte nicht mehr in Lebensgefahr, allerdings konnten sie für das Kind nichts mehr tun..." Sie sieht Euch direkt in die Augen. "Ja, so ungefähr muss ich ihn auch angesehen haben... Ich fragte ihn, welches Kind er denn meinte, denn ich konnte mich nicht daran erinnern, eines in meiner Nähe gesehen zu haben, als die Worgen uns angriffen. Als ich ihn dann fragend ansah und auf eine Antwort wartete, musste er gar nichts sagen. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, was er meinte..."

Lange Zeit spricht sie nicht mehr weiter. Sie starrt einfach ins Leere und eine Träne rinnt ihre Wange hinunter. Nach einer gefühlten Ewigkeit klärt sich ihr Blick wieder auf, sie wischt sich die Träne mit der Handfläche weg und erzählt gedämpft weiter.

"Während meine frischen Wunden verpflegt wurden, kam es zu Komplikationen, da ich - wiegesagt - sehr viel Blut verloren hatte und das Kind dadurch nicht mehr ausreichend versorgt wurde. Ich musste notoperiert werden. Und... naja, wenn derjenige, der einen behandelt nicht wirklich Ahnung hat, was er macht, dann... ja, dann kann man sich ja denken, dass nicht alles so lief, wie es üblich ist.
Als ich das hörte, fiel ich in ein tiefes Loch. Ich nahm nur noch bedingt war, was der Mann mir noch sagte. Irgendwas darüber, dass ich infiziert wurde und mich selbst in einen Worgen verwandeln würde und man mir vorsorglich einen Trank verabreichte, damit ich Herr meiner Selbst bleiben würde und was weiß ich noch alles. Es interessierte mich nicht, denn ich hatte mein Kind verloren, das ich mir so lange gewünscht und an das ich schon nicht geglaubt hatte. Und dann muss ich erfahren, dass ich es verloren habe, noch bevor ich wusste, dass ich überhaupt eines erwartete. Wie soll man sich da fühlen?! Wie bitte soll man damit klar kommen und das verstehen geschweige denn verkraften!?! Ich errichtete eine seelische Mauer um mich herum und lag den restlichen Tag über apathisch in meinem Bett und reagierte auf nichts und niemanden."

Die Frau seufzt und sieht Euch mit leerem Blick an. Sie nimmt erneut einen Schluck aus ihrem Glas und redet dann weiter.

"In der Nacht bekam ich sehr hohes Fieber und Muskelkrämpfe. Fürchterliche Schmerzen durchzuckten meinen ganzen Körper und ich wand mich im Bett hin und her. Nach mehreren Stunden im Fieberwahn war alles vorbei - die Schmerzen verebbten und das Fieber ließ nach - und ich schlief erschöpft ein. Am nächsten Tag verfiel ich wieder in einen Zustand der Anteilnahmslosigkeit und die Tatsache, dass ich nun ein Worgen war, der von jedem ängstlich und argwöhnisch angegafft und über den hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde, machte meinen Zustand auch nicht besser. Auch wenn ich im Kopf klar geblieben war, änderte das nichts...
Alle Überlebenden zogen einige Tage später weiter, oder besser gesagt, mussten weiter ziehen, denn die Verlassenen hockten uns im Nacken. Es hieß, dass in Kielwasser Schiffe warten würden, um die Verbliebenen in Sicherheit zu bringen und so zog der Tross los, denn der Weg war noch weit. Ich trottete einfach hinterher, wie eine Schlafwandlerin, wurde aber das Gefühl nicht los, dass unsere Gruppe beobachtet wurde. Wo es ging und wenn die Zeit es erlaubte, machten wir Rast aus Rücksicht auf die Verletzten. So auch in Sturmsiel. Der nahe gelegene Schwarzforst machte allerdings nicht nur mich unruhig. Etwas war dort und wir behielten Recht - ein Nachtelf trat kurz nach unserer Ankunft zu uns. Sein Interesse galt vor allem den infizierten unter uns und er bat, ihm in den Wald zu folgen. Bereitwillig folgten wir ihm, es konnte sowieso nicht mehr schlimmer werden."

Minna zuckt mit den Schultern. Sie hatte begonnen, das Glas in ihren Händen kreisen zu lassen und beobachtet es jetzt die ganze Zeit, während sie weiter erzählte.

"Tief im Wald, auf einer kleinen Lichtung, vollzogen wir in der Nacht das Ritual. Nun stand es uns wieder frei, als augenscheinlich normale Menschen zu leben, was wir erlebt hatten, konnte es allerdings nicht mehr ändern...
Wir zogen weiter und irgendwann kamen wir auch wirklich in Kielwasser an, wo auch die Schiffe der Elfen schon im Hafen lagen. Eilig wurde alles verladen, was verladen werden musste und wir legten schleunigst ab. Als wir davon segelten und Gilneas immer kleiner wurde, stand ich an der Reling. Der Regen prasselte auf mich nieder und vermischte sich mit meinen Tränen, die in Strömen meine Wangen hinunter liefen, als meine ehemalige Heimat langsam am Horizont verschwand. Selbst als Gilneas seit Stunden nicht mehr sichtbar war, stand ich noch immer dort und starrte auf den Punkt, an dem ich seine Küsten zuletzt gesehen hatte. Nach einer langen Reise legten wir in Ruth'theran an und bezogen in Darnassus Quartier. Ich lebte dort einige Zeit, aber ich war ruhelos und es zog mich fort. Und so ging ich an Bord eines Schiffes, das nach Sturmwind ablegen sollte, wie es hieß."

Die Frau lacht kurz auf und fährt schmunzelnd fort.

"Wieder eine lange Überfahrt und dann war ich doch nur in einer anderen Stadt, wusste aber immer noch nichts mit mir anzufangen. Relativ schnell flog mir aber ein Zettel über den Weg, der mein Interesse weckte und mein Leben verändern sollte. Es dauerte zwar, bis ich entziffert hatte, was darauf geschrieben stand, aber letztendlich hatte ich den Sinn erfasst und machte mich auf den Weg in den Blauen Eremiten, wo ich wenig später auf Landinus und Morgan traf.

Noch am selben Abend brachen Landinus und ich auf ins Steinkrallengebirge..."[/align]